Restaurants schaffen bessere Arbeitsbedingungen
Jedes Jahr verlässt ein Viertel der Angestellten die Gastro-Branche. Weil derzeit in allen anderen Wirtschaftszweigen Fachkräftemangel herrscht, können die Abgänge kaum kompensiert werden.
Jedes Jahr verlässt ein Viertel der Angestellten die Gastro-Branche. Weil derzeit in allen anderen Wirtschaftszweigen Fachkräftemangel herrscht, können die Abgänge kaum kompensiert werden.
Hier hat ein Restaurant an einem Tag in der Woche mehr zu als früher, da hängt vor einem Hotel das Schild «Wir stellen ein»: Der Arbeitskräftemangel beschäftigt alle. Und das nicht nur in der Gastro-, Event- und Tourismusbranche. «Fast in allen Branchen haben Unternehmen Mühe, Leute zu finden», sagt Daniel Kopp von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF). Ob Handwerker, Industrie, Gesundheitswesen, Informatikbranche, Schulen: alle klagen, dass sie ihre freien Stellen nicht oder nur mit grösster Mühe besetzen können. «Eine der wenigen Ausnahmen ist die Finanzindustrie. Sie scheint nicht besonders betroffen zu sein», sagt Daniel Kopp der EventEmotion.
Marco Salvi von Avenir Suisse betrachtet den Arbeitskräftemangel als Nachwehen der Pandemie: «Während der Pandemie haben sich die Unternehmen zurückgehalten, nun kommt die zurück gestaute Nachfrage voll zum Entfalten.» Der Mangel sei daher ein konjunkturelles Problem, kein strukturelles. Die Gastrobranche rekrutiere traditionell auch auf dem ausländischen Arbeitsmarkt, sagt Salvi. «Derzeit haben Gastrounternehmen aber europaweit eine ungewöhnlich hohe Nachfrage nach Arbeitskräften, darum kommen weniger Leute als sonst aus dem Ausland in die Schweiz.»
Daniel Kopp von der KOF betont, dass der Gastrobereich immer eine hohe Fluktuation kennt. Jedes Jahr verlasse rund ein Viertel der Angestellten die Branche. Dieser Anteil sei in der Corona-Zeit nur leicht gestiegen. «In normalen Zeiten hat die Branche kein grosses Problem, dieses Viertel wieder aufzufüllen.» Doch weil derzeit in allen anderen Wirtschaftszweigen Personalmangel herrsche, habe nun die Gastro- und Eventbranche grosse Mühe, das Viertel der Abgewanderten zu ersetzen. Denn andere Wirtschaftszweige böten oft angenehmere Arbeitsbedingungen: Regelmässigere Arbeitszeiten und höhere Löhne.
«Dass die Arbeitsbedingungen ein wichtiger Faktor dafür sind, dass die Gastrobranche Mühe hat, Leute zu finden, scheint bei vielen Arbeitgebern angekommen zu sein», sagt Daniel Kopp. Das bestätigt sich beispielsweise im Gespräch mit Ivo Adam, Direktor des Casinos Bern. «Wir schauen heute mehr auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmenden als noch vor einigen Jahren oder als in der Spitzengastronomie», sagt der frühere Sternekoch. Eine Viertage-Woche ohne Zimmerstunden und mit drei aufeinanderfolgenden Freitagen beispielsweise sei attraktiv. Der Lohn sei weniger ausschlaggebend. «Klar muss der Lohn fair sein – aber wichtiger ist vielen, dass die Work-Life-Balance stimmt.»
Das Casino sei «etwas verschont» vom Arbeitskräftemangel. «Die Auswahl gestaltet sich zwar schwieriger als zuvor, aber wir finden Leute», sagt Adam. Wichtiger als die Ausbildung der KandidatInnen sei dabei die Frage, «ob wir zusammenpassen».
«Es ist eine Herausforderung, an gute Arbeitskräfte zu kommen», sagt Ivo Adam. «Es liegt aber auch an uns, Menschen, die mit uns arbeiten wollen, auszubilden, zu fördern und in Weiterbildungen zu schicken.» Manchmal nerve ihn darum das Jammern in der Gastro- und Eventbranche über den Personalmangel. «Aber ich weiss auch, dass es für kleine Betrieben, die weit ab vom Schuss sind, viel schwieriger ist als für uns, mit einem Haus mitten in Bern.»
In einer ähnlich attraktiven Position befindet sich das Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL). «Vieles ist bei uns planbar», sagt Sabine Egli, Leiterin der Personalabteilung. Meist sei lange im Voraus klar, wann grössere Anlässe stattfänden. Das KKL habe als Haus eine gewisse Strahlkraft; das helfe bei der Suche nach Angestellten. Zudem liegt es direkt neben dem Bahnhof Luzern – ein Plus für die Angestellten. Und statt der sechs vorgeschrieben bezahlten Feiertage gibt es im Kultur- und Kongresszentrum Luzern deren zwölf. «Das wird geschätzt», sagt Sabine Egli. «Nichtsdestotrotz ist die herausfordernde Situation auch im KKL Luzern spürbar.»
«Der Fachkräftemangel hat sich zwar in den letzten Jahren verschärft, doch es gibt ihn nicht erst seit der Pandemie», stellt Egli klar. Um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein beziehe das KKL bewusst die Angestellten ein. «Sie werden bei der Erarbeitung von Massnahmen rund um die Arbeitgeberattraktivität mit einbezog – so ist gewährt, dass ihre Bedürfnisse effektiv abgeholt werden.»
Matthias Knoche, Geschäftsführer des Hotels Mövenpick in Egerkingen, hatte im Frühling einige Mühe, genügend Angestellte zu finden. «Es war mühsam, an Leute mit Fachwissen zu kommen.» Wichtig seien darum die täglichen Kurz-Briefings; «und wir schulen unsere Leute auch zusätzlich».
Damit die eingearbeiteten Angestellten dem Betrieb treu bleiben setzt Matthias Knoche auf den Zusammenhalt im Team. «Wir pflegen das mit Teamevents und bieten auch Benefits an.» Beispielsweise können die Angestellten in den rund 90 anderen Mövenpick-Hotels günstig Ferien machen und im eigenen Betrieb den Fitness-Raum benützen. «Wir geben viel, damit sie Spass an der Arbeit haben.» Eine kleine Aufmerksamkeit an Ostern oder zum Geburtstag gehöre dazu. Auch der Lohn sei gestiegen.
Daniel Kopp von der KOF gibt zu bedenken: «Eigentlich ist der Fachkräftemangel ja ein Luxusproblem. Denn das Gegenteil ist eine hohe Arbeitslosigkeit.» Er geht davon aus, dass sich das Problem von selber abschwächen wird: «Mit der jetzigen unsicheren Wirtschaftslage wird der grosse Bedarf an Arbeitskräften etwas abflauen.»