Die Tourismus-Destinationen spielen für die touristische Entwicklung der Schweiz unbestritten eine grosse Rolle. Doch was sind überhaupt genau Tourismus-Destinationen? Ist damit ein geographischer Raum wie zum Beispiel eine Stadt oder ein Wintersportort in den Bergen gemeint, in dem ein Gast die Voraussetzungen sowie das Angebot für seine Erlebnisse findet, oder sind vielmehr die Tourismusorganisationen auf lokal-regionaler Ebene sowie deren «Zuständigkeitsgebiete» gemeint? Bei ersterem handelt es sich quasi um einen nachfrageseitig definierten Begriff, bei letzterem ist das Begriffsverständnis primär angebotsseitig von den touristischen Akteuren her bestimmt.

Es besteht Diskussionsbedarf

Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO hat die Thematik der Tourismus-Destinationen als Hauptthema für die Tourismus Forum Schweiz TFS Jahresveranstaltung 2022, welche vom 24. November 2022 stattgefunden hat, ausgewählt (vgl. www.tourismusforumschweiz.ch). Das sehr grosse Interesse zur Teilnahme am TFS sowie die intensiven Diskussionen am TFS haben bestätigt, dass es Diskussionsbedarf zu den Tourismus-Destinationen gibt. Im Kern geht es bei den laufenden Diskussionen um die Frage, welche Rolle und welche Aufgaben die Tourismusorganisationen auf unterschiedlich administrativ-geographischen Ebenen übernehmen sollen. Meistens wird dabei von «Destinations Marketing/Management Organisationen», kurz «DMOs» gesprochen. Die Erwartungshaltung der touristischen Leistungsträger wie etwa der Hoteliers gegenüber den DMOs besteht im Wesentlichen auch heute noch aus der Gästebetreuung und -information vor Ort und zunehmend auch digital sowie der Vermarktung der Destination. Hinzu kommen zusätzliche Erwartungen wie etwa diejenigen nach einer Koordinations- oder einer strategischen Planungsfunktion. Die DMOs werden heute immer häufiger mit der Erwartungshaltung konfrontiert, dass sie ein eigentliches «Management der Destination» übernehmen sollen. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich eine Destination beziehungsweise deren Entwicklung von einer DMO steuern lässt. Doch ist das überhaupt realistisch?

Die DMOs werden immer häufiger mit der Erwartungshaltung konfrontiert, dass sie ein eigentliches «Management der Destination» übernehmen sollen. © Shutterstock

Eingeschränkte Wirkungsmöglichkeiten

Die Diskussionen am TFS vom 24. November 2022 sowie die seither von der Universität St.Gallen und vom Beratungsunternehmen Hanser Consulting im Auftrag des SECO erfolgten Vertiefungsarbeiten lassen grosse Zweifel aufkommen, ob die DMOs jemals den zunehmend «ausufernden» Erwartungshaltungen gerecht werden können. Hierfür gibt es vor allem drei Gründe die sich aus den Studienarbeiten ableiten lassen. Erstens fehlt es den DMOs im Regelfall an den notwendigen «Hebeln», um beispielsweise eine strategisch-steuernde Rolle in der Destination zu übernehmen. Dies deshalb, da sie keinen Durchgriff auf die Leistungsträger haben und sich im Regelfall auf die Motivation und Koordination der Akteure beschränken müssen wenn es um Aufgaben ausserhalb ihrer Kernaktivitäten geht. Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus kaum verfügbaren eigenen finanziellen Mitteln, sie sie frei einsetzen könnten. DMOs sind damit stark abhängig von ihren Geldgebern, wozu häufig sowohl die öffentliche Hand wie auch die touristischen Leistungsträger gehören. Und ein dritter erschwerender Faktor besteht in der üblicherweise in einer DMO vorhandenen – nicht zuletzt durch die Finanzierung getriebenen – Konsensorientierung wo es regelmässig darum geht, Kompromisslösungen zu finden und auszuhandeln.

Gehören Städte ebenfalls zu den Tourismus-Destinationen? © Shutterstock

Zukunft neu denken?

Was bedeuten nun diese Erkenntnisse aus den beim SECO noch laufenden Analysearbeiten zu den Strukturen und Aufgaben sowie den Herausforderungen und Perspektiven von Tourismus-Destinationen? Eine wichtige Erkenntnis ist, dass man sich von der Idee einer Art übergeordneten strategischen Steuerbarkeit von Destinationen lösen sollte und es eine spezifischere Weiterentwicklung des Destinationsmanagements braucht. Vereinfacht gesagt geht es darum, eine realistischere Erwartungshaltung an die Rolle und die Aufgaben einer DMO zu entwickeln. Gleichzeitig sind die Voraussetzungen zu schaffen, dass die DMOs diejenigen Aufgaben wirkungsvoll ausüben können, für die eine Zuständigkeit ihrerseits auch Sinn macht. Komplex wird diese Thematik insbesondere auch durch die starke Kontextabhängigkeit. Welche Aufgaben eine DMO wirklich übernehmen soll und kann, hängt sehr stark vom vorhandenen Akteur-Netzwerk im Destinationsgebiet ab. Dieses unterscheidet sich zum Beispiel im Regelfall stark zwischen grossen Städten mit einer Vielzahl an touristischen Akteuren und Bergdestinationen in denen häufig einzelnen Akteure wie insbesondere die Bergbahnen eine zentrale Bedeutung haben.

Neue Fragestellungen

Bei der anzugehenden Weiterentwicklung des Destinationsmanagements erachten die Autoren der vom SECO in Auftrag gegebenen Studie eine verstärkte Prozess- und damit verbundene Projektlogik als zielführend. DMOs sollen sich generell stärker auf konkrete Massnahmen und Projekte konzentrieren, wobei eine enge Aufgabenabstimmung mit den touristischen Leistungserbringern notwendig ist. Aus diesem neuen Ansatz ergeben sich neue Potenziale aber auch neue Fragestellungen. Die diesbezüglich notwendige Erarbeitung von Wissens- und Entscheidungsgrundlagen hat eben erst begonnen. Das SECO hofft, dass mit dem Schlussbericht der in Auftrag gegebenen Studie – deren Veröffentlichung bis im Sommer 2023 erfolgen soll – ein hilfreicher Beitrag geliefert werden kann.

Dieser Artikel stammt von Richard Kämpf, Leiter Ressort Tourismuspolitik beim
Staatssekretariat für Wirtschaft SECO / www.seco.admin.ch