Am Buffet cool bleiben
Sei es der bewusste Blick aufs eigene Essverhalten oder die Wasserflasche als Begleiterin: Die Expertin Michelle Widmer verrät, wie Reisende auf ihrem Business-Trip in Form bleiben.

Sei es der bewusste Blick aufs eigene Essverhalten oder die Wasserflasche als Begleiterin: Die Expertin Michelle Widmer verrät, wie Reisende auf ihrem Business-Trip in Form bleiben.
Wer achtsam isst, bleibt auf Geschäftsreise produktiver und fühlt sich selbst nach langen Tagen noch wohl. Das bestätigt Ernährungsberaterin Michelle Widmer. Sie betreut in ihrer Praxis viele Geschäftsreisende, die ihr Übergewicht loswerden möchten. «In der Kongress- und Businessgastronomie steht meist ein verführerisches Überangebot bereit. Kein Wunder, fällt es vielen schwer, auf ihr natürliches Sättigungsgefühl zu hören und im richtigen Moment Stopp zu sagen. Bereits kleine Anpassungen im Essverhalten können jedoch viel bewirken.»
Mit Floskeln wie «Dessert geht immer» oder «Einmal ist keinmal» belohnen sich Genussmenschen gerne für einen anstrengenden Tag oder ein erfolgreiches Meeting. Widmer mahnt: «Alles, was wir über den Hunger essen, speichern wir in unserem Körper als Fett ab. Wer sich auch noch weniger bewegt, bringt nach wenigen Wochen locker zwei bis drei Kilos mehr auf die Waage. Hilfreich ist die bewusste Auswahl der Gerichte. Gehen Sie dabei strategisch vor und fragen Sie sich: Wie hungrig bin ich tatsächlich, auf was habe ich am meisten Lust und was ist mir weniger wichtig? Wer so verfährt und im Verlauf des Essens nochmals das Sättigungsgefühl prüft, lässt sich weniger zum Weiterschlemmen verleiten. Einigen hilft auch, wenn sie bewusst Distanz schaffen. Sie gesellen sich zu Personen, die weit weg vom Buffet stehen oder gehen draussen kurz spazieren.»
Wer reist, ist ständig unterwegs. Gegessen wird spontan an der Snackbar im Flughafen oder im Bahnhof-Takeaway. Im hektischen Reisemodus bleibt wenig Zeit für bewusste und ausgewogene Mahlzeiten. Widmer kennt das Muster: «Viele essen unterwegs zu lange nichts und landen dann im Heisshunger. In diesem Zustand greifen sie, biologisch gesteuert, zu energiereichem, deftigem Essen, das hastig verschlungen wird.» Auch wenn es nicht einfach ist: Regelmässige Mahlzeiten – Frühstück, Mittag- und Abendessen – helfen, tückische Heisshungerattacken zu vermeiden. Wer die Wahl hat und es gerne mag, sei mit protein- und ballaststoffreicher Nahrung gut beraten. «Sie macht länger satt und stabilisiert den Energiehaushalt nachhaltiger.»
Ist eine «richtige» Mahlzeit nicht möglich, helfen gemäss Widmer sorgfältig ausgewählte Snacks wie Nüsse, Krackers oder Getreideriegel. «Nehmen Sie am besten Ihre Lieblingssnacks von zu Hause mit, so können Sie elegant ein Meeting überbrücken, das länger dauert.» Zum Thema «Snacken unterwegs» gibt es einen neuen, eher bedenklichen Trend. Immer mehr Menschen wollen sich unterwegs und ohne Zeitverlust verpflegen, das Geschäft mit sogenannten One-Hand-Snacks boomt. Die Nahrungsindustrie entwickelt handliche Angebote wie Falafel, Wraps und viele mehr, die sich bequem mit einer Hand essen lassen – weil die andere mit dem Smartphone beschäftigt ist. Bei den ständig wachsenden To-Go-Angeboten bleibt gesundes Essverhalten mit Achtsamkeit und Genuss oft auf der Strecke.
Oft wird unterschätzt, wie wichtig Flüssigkeit – sprich Wasser – ist. Unser Körper braucht regelmässig Flüssigkeit, um leistungsfähig zu bleiben. Bei Hitze, körperlicher Anstrengung, auf langen Flügen oder in klimatisierten Räumen ist ausreichend Trinken unerlässlich. Wer von Termin zu Termin hetzt, vergisst gerne, genug zu trinken oder nimmt sein Durstgefühl zu wenig wahr. «Das kann gefährlich werden», warnt Widmer: «Der Stoffwechsel – also alle Prozesse, die unseren Körper am Laufen halten – verlangsamt sich. Dehydration kann nicht nur Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme und Müdigkeit verursachen, sie kann sogar zum Kreislaufzusammenbruch führen. Nehmen Sie deshalb am Morgen immer eine Wasserflasche mit und trinken sie regelmässig.»
Es ist ein Balanceakt zwischen engen Zeitplänen, langen Meetings, Aperitifs und späten Business-Dinners: Wer den ganzen Tag unter Strom steht, hört weniger auf seine inneren Signale wie Hunger, Sättigung oder Durst. «Jeder Mensch hat seine gewohnten Essmuster, die sich auf Reisen ungünstig entwickeln können», weiss die Ernährungsexpertin. «Auch wertvolle Ruhepausen finden im dichtgedrängten Programm selten Platz. Ich kenne Reiseprofis, die bewusst auf mehr Flexibilität achten und sich gelegentlich eine Airbnb-Wohnung als Rückzugsort buchen. Damit gewinnen sie mehr Freiraum in der Tagesgestaltung und können kleine Mahlzeiten selbst zubereiten.»
Neben der Ernährung ist Bewegung ein entscheidender Faktor für das Wohlbefinden auf Geschäftsreisen. Es gibt viele Möglichkeiten, Bewegung in den Reise- und Businessalltag zu integrieren. Kleine Gewohnheiten machen einen grossen Unterschied. Wer statt des Aufzugs die Treppe nimmt, aktiviert seinen Geist und Kreislauf. Reisende sollten versuchen, ihre gewohnten Aktivitäten beizubehalten – sei es eine Yoga-Session oder ein kurzes Workout im Hotelzimmer. Ein kleiner Spaziergang ums Hotel oder eine Jogging-Runde in der Umgebung bringen einen auf andere Gedanken. Man aktiviert damit den Stoffwechsel, reduziert die Stresshormone und fühlt sich ausgeglichener und entspannter.
In gewissen Ländern sind Ess- und Trink-Hygiene ein nicht zu unterschätzendes Gesundheitsrisiko. Im Zweifelsfall sollten nur gekochte, gebratene oder gebackene Speisen konsumiert werden. Es ist zudem darauf zu achten, dass das Essen dampfend heiss serviert wird. Auch wenn sie grundsätzlich gegen Verzichte ist, empfiehlt Widmer, auf rohe oder halbgar gekochte Lebensmittel verzichten. «Bananen, Orangen und Mangos sind sicherer, weil die Fruchtschalen vor Verunreinigungen schützen. Achten Sie auch beim Wasser darauf, dass es in verschlossenen Flaschen serviert wird – und verzichten Sie auf Eiswürfel in Getränken aller Art.»
Michelle Widmer (39) ist ausgebildete Ernährungsberaterin und führt in Bern die Praxis «Esslösungen». Sie versteht Ernährungsberatung als Begleitung zu einem zufriedeneren Essverhalten. Gemeinsam mit ihren Kunden sucht sie nach Ideen, wie eine Veränderung aussehen könnte. So können das eigene Essverhalten und relevante Umgebungseinflüsse erkannt und geeignete Veränderungsmöglichkeiten gefunden werden. Damit sie Personen in herausfordernden Lebenssituationen beraten kann, hat Widmer noch einen Master of Advanced Studies in Systemisch Lösungsorientierter Kurzzeitberatung
und -therapie absolviert. www.essloesungen.ch