Die Corona-Pandemie hat das Reiseverhalten generell und den MICE-Markt im Besonderen nachhaltig verändert. Vor allem der plötzliche Einbruch an Präsenzveranstaltungen und der exponentielle Anstieg an virtuellen und hybriden Events wurden im Wesentlichen von der Pandemie-Situation ausgelöst. Damit einher ging ein Rückgang an Reisen und Reisenden und natürlich auch der verbundenen Ausgaben, der sich jedoch zusehendes relativiert – die Nachfrage nach Business Events in der Schweiz liegt bereits wieder bei 77 % des Vor-Pandemie-Niveaus. Aber auch gewisse Megatrends wie Nachhaltigkeit, New Work oder Digitalisierung, die durch die Pandemie noch verstärkt wurden, verändern den Markt und werden es auch weiterhin tun.

«Redefining Event Attendance»

Die Studie «Future Meeting Space», die in Zusammenarbeit des German Convention Bureaus (GCB) mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) entstanden ist, beschäftigt sich bereits seit 2015 mit relevanten Entwicklungen im Ökosystem von Veranstaltungen.

Zusammen verfolgten die beiden Institutionen das Ziel, aus der Studie konzeptionelle, technologische und räumliche Anforderungen an zukünftige Veranstaltungen abzuleiten. Besonders spannend bleibt die Frage, wie sich Präsenzveranstaltungen in den letzten Jahren verändert haben und welche Trends in den nächsten Jahren zu erwarten sind. Lassen sich Mitarbeitende in Zukunft noch für physische Veranstaltungen und Events begeistern und wenn ja, wie? Genau dieser Frage widmete sich der Forschungsschwerpunkt 2022 «Redefining Event Attendance». Dafür wurde eine eingehende weltweite Recherche durchgeführt und auf Basis der Ergebnisse wurden über 5000 Menschen, überwiegend aus dem DACH-Raum, in drei separaten Runden zum Forschungsthema befragt. Zudem wurden Fokusgruppen, u.a. mit VertreterInnen der Generation Z, mit unterschiedlichen Zielgruppen gebildet, um Einblicke in weitere wichtige Themen wie dem umfassenden Personal- und Fachkräftemangel zu erlangen.

In Zukunft wird es auch bei Geschäftsreisen nötig sein, besonders auf Nachhaltigkeit zu achten. © GCB / FRAUNHOFER IAO, 2022

Qualität vor Quantität

Menschen nehmen immer noch gerne an Präsenzveranstaltungen teil, wie die sich erholende Nachfrage nach Business Events zeigt. Doch die Erwartungen haben sich weitgehend verändert, denn die Möglichkeit, virtuell teilzunehmen, ist attraktiver geworden.

Ein wichtiger Faktor ist heute das Verhältnis von Aufwand und Ertrag einer Geschäftsreise – es gilt Qualität vor Quantität. Seit der Pandemie wird viel eher hinterfragt, welchen Mehrwert eine Veranstaltung bringt; die richtigen Inhalte sind für eine Veranstaltung deshalb zentral. Die Entfernung vom Veranstaltungsort und der Zeitaufwand für An- und Abreise müssen im richtigen Kosten-Nutzen-Verhältnis stehen. Über 80 % der Befragten stimmten dieser Aussage eher oder voll und ganz zu. Eng damit zusammen hängt auch, dass Geschäftsreisende eher bereit sind, zu einer Veranstaltung zu reisen, wenn diese möglichst einfach zu erreichen ist. Auch das Thema Nachhaltigkeit wird relevanter: Fast zwei Drittel der Befragten geben an, dass ihnen der Klima-Impact bei Reiseaktivitäten auch im geschäftlichen Bereich wichtig ist. Sind diese Voraussetzungen gewährleistet, werden Veranstaltungen nach wie vor gerne genutzt, um zu networken und Inspirationen zu sammeln.

Zum Networken bevorzugen auch junge Menschen Präsenzveranstaltungen. © Shutterstock / sirtravelalot

Wichtige Inspirationsquelle

In Anbetracht des Fachkräftemangels wird die Frage zentral, ob Geschäfts- und Veranstaltungsreisen zur Arbeitgeber-Attraktivität beitragen und zur Bindung und Gewinnung von Mitarbeitenden dienen. Tatsächlich rangieren geschäftliche Reisen bei der Frage, was einen Arbeitgeber attraktiv macht, im hintersten Drittel. Nur bei Personen, die nach eigenen Angaben gerne geschäftlich reisen, sind solche Veranstaltungen ein zentrales Attraktivitäts- und Bindungsmittel. Der persönliche Austausch hat jedoch durchaus Vorteile: Gegenüber dem Büroalltag ist die Inspirationskraft bei Vor-Ort-Veranstaltungen deutlich erhöht. Zwar machen Veranstaltungen im Durchschnitt nur ca. 5 % der Arbeitszeit aus, jedoch entstehen rund 9 % der Ideen in dieser Zeit. Präsenzveranstaltungen können somit als Top-Inspirationsquelle definiert werden.

Einfache Rahmenbedingungen

Damit Mitarbeitende eine Veranstaltung besuchen, sind auch vor Ort gewisse Kriterien einzuhalten. So sind hohe Hygiene- und Sicherheitsstandards für über 90 % der Besuchenden eine absolute Notwendigkeit. Aber auch einfache Orientierung und Barrierefreiheit vor Ort sind vielen Teilnehmenden wichtig. Die Themen Seamless Travel und Mikromobilität haben zudem an Bedeutung gewonnen. Generell wünschen sich Besuchende eine möglichst unkomplizierte Mobilität, d.h. die Veranstaltungslocation sollte möglichst ohne Umsteigen und am liebsten mit nur einem Ticket für die Veranstaltung und das gesamte Rahmenprogramm erreichbar sein. Bei den 26- bis 35-Jährigen stösst v. a. das Thema Mikromobilität, z.B. mit E-Scootern, auf Begeisterung.

Das Mobilitätsangebot ist ein wichtiger Attraktivitäts-Faktor vor Ort. © GCB / FRAUNHOFER IAO, 2022

Zukunftsweisende Empfehlungen

Aus den Ergebnissen leiteten die Studienleiter Handlungsempfehlungen für Arbeitgebende und Eventveranstaltende ab. Diese zielen darauf ab, in Zukunft auf das zunehmend fluidere und komplexere Ökosystem rund um Veranstaltungen entsprechend reagieren zu können.

Um Mitarbeitende zu einer Teilnahme vor Ort zu motivieren, sollte darauf geachtet werden, dass dies nicht zu einer höheren Arbeitsbelastung führt. Besonders aus Nachhaltigkeitsüberlegungen macht es zudem Sinn, Mitarbeitenden sogenannte «Workations» zu ermöglichen, bei denen geschäftliche Reisen mit anschliessendem privatem Urlaub verbunden werden. Ein Veranstaltungskontingent oder ein entsprechendes Budget fördern die Selbstbestimmung der Mitarbeitenden, was wiederum die Motivation für Veranstaltungen wesentlich erhöhen kann.

Veranstalter hingegen sollten darauf achten, dass Hygiene- und Sicherheitsstandards als absolute Basiselemente immer berücksichtigt werden. Und auch hier sollte das Thema Nachhaltigkeit auf jeden Fall berücksichtigt werden und rund um die Veranstaltungen mit standardisierten Prozessen adaptiert werden. Es gilt, attraktive Mobilitätsangebote zu schaffen, die möglichst einfach und günstig sind, und ein erweitertes Angebotsrepertoire bereitzustellen. Auch die Adaption neuer Konzepte ist wünschenswert, z.B. ein stärkerer Fokus auf die Experimentierphase von Veranstaltungen. Die Konzentration auf den Erkenntnisgewinn statt auf perfekte Lösungen kann dazu beitragen, die Inspirationskraft  einer Veranstaltung zusätzlich zu steigern.

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